Offener Brief vom 16.05.2023

An den
Gemeinderat Hodenhagen

Sehr geehrter Herr Gernot Bäßmann,
Sehr geehrter Herr Ralph  Beckmann,
Sehr geehrter Herr Tjark Beckmann,
Sehr geehrter Herr Hans-Georg Brand,
Sehr geehrter Herr Michael Cordes,
Sehr geehrte Frau Dr. Annemarie Krull,
Sehr geehrter Herrn Marcus Hemme,
Sehr geehrter Herr Dietmar Illemann,
Sehr geehrte Frau Sonja Illemann-Bergen,
Sehr geehrter Herr Robert Juhas,
Sehr geehrter Herr Boris-Alexander Krug,
Sehr geehrter Herr Lukas Müller,
Sehr geehrter Herr Alexander Prenzel,
Sehr geehrte Frau Kornelia Tamke,
Sehr geehrter Herrn Carsten Wiechers,

Mit diesem Brief wendet sich die Bürgerinitiative Hodenhagen an den Gemeinderat Hodenhagen, um zur Projektierung der Ansiedlung der Wellpappenproduktionsstätte „Deisterwelle“ Stellung zu beziehen, auf Verfahrensfehler hinzuweisen und offene, noch nicht beantwortende Fragen (erneut) zu stellen.

1. § 4a Abs. 1 BauGB:  Die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung dienen insbesondere der vollständigen Ermittlung und zutreffenden Bewertung der von der Planung berührten Belange und der Information der Öffentlichkeit.
Die bisher von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Unterlagen sind durchaus als veraltet zu bezeichnen.
Der vorliegenden Begründung zum  Bebauungsplan Nr. 41 „2. Erweiterung Gewerbegebiet Nord“ mit Teilaufhebung Bebauungsplan Nr. 36 „1. Erweiterung Gewerbegebiet Nord“ wurden u.a.  beigefügt
a) das Funktion-Nutzungskonzept aus dem Jahr 2017 (Anlage 2)
b) ein Verkehrsgutachten aus dem Jahr 2014 (Anlage 3a) mit einer lapidaren Ergänzung („kleinere Erweiterung des Gewerbegebietes“) aus dem Jahr 2021 (Anlage 3b).
Wie soll auf diese zur Verfügung gestellten Grundlagen eine vollständige Ermittlung und zutreffende Bewertung der von der Planung betroffenen Belange erfolgen?
Sieht so die Information der Öffentlichkeit aus?

2. Wer ist Käufer – Wer ist Bauherr?
a) ProjektOnelog GmbH (s. Anlage 1 „Bauherr“)?
b) Fa. Geisler Bau; Neustadt – Mandelsloh (s. Anlage 1 „Bauantragsteller“; lt. Internetrecherche eine Firma, die Einfamilienhäuser errichtet und Sponsor der Reitsportanlage Wietrehm-Andreas und Wiebke Prahl GbR)?
c) Progroup Board Viking (s. Anlage 6)?
d) Nordpack GmbH (s. Anlage 6)?
e) Deisterwelle Wellpappenwerk GmbH?

Zur öffentlichen Informationsveranstaltung am 09.12.2022 in der Aller-Meiße-Halle ist Herr Prahl aufgetreten und auch dem Interview der Walsroder Zeitung vom 04.04.2023 ist zu entnehmen, dass er bzw. sein Unternehmen der Interessent ist. Die vorliegenden Unterlagen lassen diesen Rückschluss nicht zu, obwohl es sich um eine anlassbezogene Planung handelt.

3. Warum wird in der Begründung zum Bebauungsplan von einer Längenausdehnung von ca. 400 m ausgegangen (Seite 4), obwohl das geplante Projekt tatsächlich eine Länge von ca. 800 m haben soll?

4. Warum werden in der textlichen Festsetzung zum Bebauungsplan unter § 3 die Regelhöhe der zulässigen Bebauung mit 15 – 20 m, bei einer Erhöhungsmöglichkeit von 3 m gem. § 18 NBauO festgesetzt, ausweislich der Begründung zum Änderungsantrag des Bebauungsplanes aber entsprechend dem geplanten Objekt eine Steigerung über 100%, nämlich bis zu 45 m zugelassen (s. Seite 23)?
Allein die Begründung, dass andernfalls das Projekt gefährdet sei, legt die Gefahr eines Ermittlungs- und Bewertungsfehlers nah, der zwangsläufig zur Aufhebung des Bebauungsplanes führt, s. Urteil VGH B-W. vom 08.02.2017 -5 S 1049/14-

5. Warum wird in der Begründung zum B-Plan im Wesentlichen auf 1.1.05 LROP (2017) abgestellt und auch hier offensichtlich in die Abwägung weder  § 1 Abs. V BauGB, noch 1.1.02 LROP einbezogen. Insbesondere im Hinblick auf die hierzu erlassene Verordnung, ist der Bewertungsfehler evident.

Verordnung LROP zu Ziffer 02
„In der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist die maßgebliche Reduzierung der Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr…eine wichtige Zielsetzung. So sollen
– nachhaltige Umweltauswirkungen wie Bodenversiegelung….vermieden, ….
– eine nachhaltige Raumentwicklung und nachhaltige Flächennutzung im Bestand umgesetzt werden.“

„Angesichts der Tatsache, dass in Niedersachsen der Flächenverbrauch derzeit noch bei rd. 10,4 ha pro Tag liegt und der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche Niedersachsens bereits über 13% beträgt, ist insbesondere die kommunale Ebene mit der Regional- und Bauleitplanung gefordert, die instrumentellen Möglichkeiten zur Verminderung der Flächeninanspruchnahme im Sinne der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, des LROP und des Baugesetzbuches wirksam auszuschöpfen.
…“.

Ferner wird mit dem vorliegenden Entwurf eklatant gegen § 34 I BbauG verstoßen, da sich das geplante Objekt gerade nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Die kumulativ aufgezählten Voraussetzungen für eine Ausnahme gem. § 34 Abs. 3a Nr. 1 BauGB liegen nicht vor.

Die Gemeinde Hodenhagen hat bereits im Jahr 2018 eine mittlere  Bodenversiegelung von 10,58% gehabt (zum Vergleich: Walsrode lag bei  5,66 %, Bad Fallingbostel bei 8,55% und Soltau bei 5,46%).

Die geplante Halle entspricht mitnichten den gesetzlichen Vorgaben und Zielen der Raumordnungsprogramme und des BauGB.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, warum der Interessent seine Pläne nicht in der Gemeinde Wedemark, wo er entsprechende Flächen bereits erworben hatte, umgesetzt hat.

6. Welche Kosten-Nutzen-Rechnung liegt der Planung zugrunde?

a) Welche tatsächlichen Mehreinnahmen kalkuliert der Gemeinderat ein?
Grundsteuer und Gewerbesteuer oder nur die Grundsteuer?

b) Mehreinnahmen durch die dort Beschäftigten?

 Aufgrund des Artikels in der Walsroder Zeitung ist davon auszugehen, dass der höchste Grad an Automatisierung beabsichtigt ist. Daraus folgt, dass hochqualifiziertes Personal zur Bedienung gebraucht wird. Die „einfachen“ Arbeiten werden  i.d.R. von Leiharbeitskräften übernommen. Wie viele Arbeitslose hat die die Gemeinde Hodenhagen gegenwärtig, die dort Arbeit finden könnten? Hat sich der Gemeinderat damit auseinandergesetzt, wie viele Beschäftigte tatsächlich in den VESTAS-Hallen tätig sind? Wie viele bei VESTAS angestellt sind und wie viele über Zeitarbeitsfirmen „ausgeliehen“ werden?

c) Hat die Gemeinde die erforderlichen Ausgleichsflächen gem. § 189 BauGB vorrätig oder müssen diese noch erworben werden? Sind entsprechende Rücklagen  vorhanden?

d) In welcher Höhe sind Rücklagen für die Erschließungslast gem.§§ 123 ff BauGB vorhanden?
Insbesondere der bereits mehrfach angemahnte Fuß- und Radweg zum Gewerbegebiet dürfte mit den im aktuellen Haushaltsplan eingestellten 200.000 Euro nicht zu realisieren sein.

e) In welcher Höhe sind Rücklagen für etwaige Entschädigungen im Hinblick auf bestehende Pachtverträge gem. § 185 BauGB vorhanden?

f) Sind Rücklagen für Schadensersatzansprüche anliegender Landwirte, die infolge der Größe des Projektes mit deutlichen Ertragseinbußen aufgrund der massiven Verdunkelung rechnen müssen, vorhanden?

g) Welche Pläne hat die Gemeinde hinsichtlich der bereits bestehenden und zu erwartenden Verschmutzung des Gewerbegebietes (Kot, Urin, Müll) durch die LKW Fahrer, insbesondere auch im Hinblick auf die Belange der Touristen, die die Natur auf dem Jacobs-Weg genießen wollen?

7. Wurde seitens der Gemeinde neben dem als Anlage 6 zur Verfügung gestellten Privat-Gutachtens des Büros Böker und Partner vom 25.01.2022 selbständig ein Bodengutachten in Auftrag gegeben?
Ausweislich Bl. 6 des Gutachtens wird bei der Beurteilung eine Hallengröße von 44.000 m² ausgegangen. Dieses ist eine gravierende Abweichung. Im Rahmen der Begutachtung wurde freies Grundwasser mit einer hohen Ergiebigkeit festgestellt. Der Abwasserstrom läuft nach Westen (S.7). Der Abwasserstrom geht also Richtung Ortschaft Hodenhagen, Lünzheide. Sollte es sich bei  den festgestellten  Tonschichten nicht um eine lokale Erscheinung handeln, so ist hier eine Gefährdung der bereits bestehenden Bebauung seitens der Gemeinde auszuschließen.
Das vorliegende Gutachten nimmt hierzu selbstredend keine Stellung, da es sich lediglich mit der Realisierungsmöglichkeit einer  44.000m² großen Halle entsprechend den Vorgaben des Auftraggebers Nordpack GmbH auseinandersetzt.

8. Hat sich der Gemeinderat mit den Immissionsschutzrechtlichen Belangen der in Sichtweite lebenden Bürger*innen auseinandergesetzt?
Ein produzierendes Gewerbe im 3-Schicht-Betrieb in dieser Größenordnung beinhaltet nicht nur Lärm durch fließenden Verkehr. Das An- und Wegfahren / Rangieren der LKWs verursacht durch die Signale (Piepen) eine erhebliche Ruhestörung. Die permanente Beleuchtung beeinträchtigt die Wohnqualität erheblich. Die Auswirkung auf die Natur, insbesondere die Insektenwelt, bleibt einer Ergänzung zu diesem Brief vorbehalten.

9. Soweit im Rahmen eines persönlichen Gespräches zwischen Herrn Bgm. Beckmann, den Ratsmitgliedern Illemann, Cordes, Juhas und Brand mit Mitgliedern der BI Hodenhagen am 11.04.2023 im Bügerhaus als vergleichbares Objekt auf die neu errichtete Produktionsstätte „Frischli“ in Rehburg-Loccum, mit einer Höhe von ebenfalls von 45 m verwiesen wurde, ergaben die eingeholten Informationen, dass die Grundfläche  des dort errichteten Trockenturmes 20×64, mithin 1.280 m² beträgt.  Hier in Hodenhagen ist für das Hochregal von 45 m  eine Fläche von 30.000 m² vorgesehen – eine fast 24x so große Fläche. Wo bleibt da die Vergleichbarkeit?

Zusammenfassend steht jedes Gemeinderatsmitglied vor der Frage, ob das in der Begründung  ausgewiesene Ziel
„Durch die Planung möchte die Gemeinde Hodenhagen gemäß einer konkreten Anfrage nachfragegerechte gewerbliche Flächen anbieten. So können langfristig positive wirtschaftliche Effekte für die Samtgemeinde und die Region Aller-Leine-Tal gefördert werden (Arbeitsplätze, Attraktivität als Wohnstandort etc)“ -s.S.5 der Begründung-
bei der feststehenden demografischen Bevölkerungsentwicklung (stagnierend bis fallend), der stagnierenden Vermarktung von Bauplätzen, der im Verhältnis zur Größe der Halle geringen Anzahl an Arbeitsplätzen und Ausbildungsplätzen, den Unwägbarkeiten der Kosten-Nutzen-Rechnung  in ökonomischer, ökologischer und sozialer Sicht erreicht werden kann oder ob mit dieser Planung nicht eine Willfährigkeit dokumentiert wird, die einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält.

Mit freundlichen Grüßen
Bürgerinitiative Hodenhagen
i.V. U. Starosky; E. Schmidt